Skip to content

“The Matrix” – Das Telefon als Pforte zwischen den Welten

Über zwei Minuten lang hatten wir in der Eingangsszene von “The Matrix” bei Trinitys spektakulärer Flucht gebannt mitgefiebert und just als wir glaubten, dass sie ihren Verfolgern tatsächlich entkommen sei, fokussiert die Kamera eine ominöse Telefonkabine und einen auf deren Höhe scharf abbremsenden Lastwagen. Dann: Trinitys verzweifelter Blick. Der Lastwagen einige Meter vor der Kabine stehend, wie ein schnaubender Stier auf den Moment des Angriffs wartend. Dann: Das schrille Klingeln des Telefons! Trinity sprintet los, der Truck heult auf und setzt sich in Bewegung. Trinity nimmt den Hörer ab und in ihrem Gesicht spiegelt sich noch kurz das grelle Scheinwerferlicht des Trucks, der schon einen Sekundenbruchteil später mit voller Wucht in das Telefonhäuschen donnert.

Schade, dachten wir, und bedauerten, dass unsere toughe Heldin schon nach knapp fünf Filmminuten sterben musste. Doch als der Laster zurückrollt, ist die zertrümmerte Kabine leer. Der Telefonanruf hat Trinity im letzten Moment aus der Matrix, welche vorgibt, das reale Leben zu sein, herausgeholt.

In “The Matrix” spielen Telefone und Telefonverbindungen eine zentrale Rolle. Festnetzapparate dienen als Portal zwischen der Realität und der Matrix, und über Mobiltelefone können die Protagonisten zwischen den beiden Welten kommunizieren. So erhält der Hacker Thomas A. Anderson aka “Neo” in seinem Büro ein geheimnisvolles Päckchen, dem er ein Handy entnimmt, das nach dem Auspacken auch gleich klingelt und ihn erstmals die Stimme Morpheus’ vernehmen lässt. Eine gebieterische Stimme, dem weder Neo noch der Zuschauer ein Gesicht zuweisen können. Das “Gesicht” der Stimme ist das Mobiltelefon, aus dem die Stimme erklingt. Es handelt sich bei diesem Handy übrigens um eine modifizierte Version des 1996 auf den Markt gekommenen Modells 8110 von Nokia, welches im Film einen Federmechanismus zur Freilegung der Tastatur besitzt. Mit diesem Mechanismus wurde für den Markt allerdings erst das später zeitgleich mit “The Matrix” erschienene Nokia 7110 bestückt, das daher oft fälschlicherweise als das “Matrix-Handy” bezeichnet wird.

In “The Matrix” ist das Telefon aber nicht nur Mittler zwischen den Welten, es ist auch eine mächtige Instanz: Selbst als Neo schon “The One” geworden ist, unsterblich und in der Lage, die Matrix (scheinbar) zu kontrollieren, muss er dennoch, um diese verlassen zu können, den Hörer des klingelnden Telefons abnehmen und sich so der Macht des zwischen den Welten vermittelnden Apparats und den durch dieses Gerät diktierten Handlungsmustern unterwerfen.

Doch jenseits von Hollywoodfantasien: Wundern wir uns nicht auch im eigenen Leben hin und wieder, nachdem wir uns der Macht des läutenden Telefons unterworfen und den Hörer abgenommen haben, in welch andere und vielleicht sogar fantastische (Gedanken-)Welten uns ein Anruf zuweilen entführen kann?

Back To Top
Tel
Mail